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werde jedenfalls versuchen, sanft zu sein.«
»Dann essen wir erst und kommen dann.«
»Ich danke dir.«
Da stand ich auf einem Hügel in Heyroth und vereinbarte ei-
nen Termin für Mitternacht. Die Böen kamen noch schärfer,
Cisco japste hell, weil er das Gewitter fühlte.
Während wir die zweitausend Meter bis nach Hause fuhren,
riss der Wind am Auto. Wir schafften es gerade ins Haus, dann
legte das Unwetter explosionsartig los. Wie hatten die Klima-
forscher gesagt: Wir werden Unwetter erleben, wie wir sie
bisher in diesen Breiten nicht gekannt haben.
Ich setzte mich unter das Terrassendach und wartete. Der Re-
gen fiel nur eine Minute lang ruhig, dann fing er an zu
peitschen und das dünne Abflussrohr der Bedachung genügte
der Beanspruchung nicht, das Wasser pladderte in breiten
Strömen auf die Steine. Cisco verzog sich sicherheitshalber ins
Wohnzimmer.
Plötzlich knallte es hell und scharf, die Lichter fielen aus. Ich
hatte den Blitz nicht gesehen, aber er konnte nicht weit entfernt
eingeschlagen sein. Jetzt gab es keine zeitliche Differenz mehr
zwischen Blitz und Donner. Der Regen war durchmischt mit
schweren Hagelkörnern. Sie prasselten wie ein unendlicher
Trommelwirbel auf die Kunststoffbedachung. Der Wind stürm-
te so heftig von Westen her, dass meine Beine nass wurden.
»Okay, ich mache uns eine Kerze an«, sagte ich.
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Ich tastete mich ins Wohnzimmer. Satchmo strich um meine
Beine und Cisco stellte sich an mir hoch. Ich erreichte den Ess-
tisch und fand den Kerzenleuchter. Eine einzelne Kerze stellte
ich ins Fenster, damit die Darscheids nicht glaubten, ich hätte
mich unter der Bettdecke vergraben.
Das Dorf lag im Dunkeln.
Ganz unvermutet hörte der Hagel auf, ganz unvermittelt ebb-
te auch der Regen wieder ab. Dafür herrschte für einen
Moment eine Stille, die mit den Händen zu greifen schien.
Der Augenblick war wirklich nur kurz, dann setzte erneut mit
Hagel durchmischter Regen ein. Blitz und Donner kamen
scharf und lärmten im Crescendo. Zwischen mir und dem
Kirchturm funkte etwas Grelles und ich fragte mich, ob es
möglich war, dass der Blitz den Kirchturm verfehlt und statt-
dessen meinen Teich getroffen hatte.
Der nächste scharfe Knall veranlasste mich, auf die Terrasse
zu gehen. Die Birke neben dem Teich war abgeknickt, sie lag
auf dem Dach des Nachbarn und wirkte wie ein riesiger, nutz-
los gewordener Wedel. Ich konnte nur hoffen, dass sie das
Dach nicht durchschlagen hatte.
Endlich kamen die Darscheids. Geschickt zog Rainer den
Wagen unmittelbar vor die Stufen am Eingang und ich öffnete
ihnen die Tür.
»Schön, dass ihr kommen konntet.« Ich reichte ihnen die
Hand und sie schoben sich an mir vorbei ins Wohnzimmer.
»Es gibt nur Kerzen«, erklärte ich.
»Das ist doch sehr schön«, sagte Elisabeth. »In Hildenstein
ist es pulvertrocken.«
Sie setzten sich nebeneinander auf das Sofa und wirkten wie
verlorene Kinder.
Ich holte Wein und Wasser. »Ich will noch einmal mit euch
reden, weil mich der Amor-Busch immer noch beschäftigt. Ich
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habe mit dem alten Pitter Göden gesprochen, der in eurer Stra-
ße wohnt. Er sagte, dass Annegret und ihre Schulkameraden
dauernd im Busch waren. Dass sie dort sogar Schularbeiten
gemacht haben, Musik hörten und manchmal ein Zelt aufbau-
ten.«
»Das ist richtig«, nickte Rainer Darscheid. »Da hat der alte
Pitter Recht. Der geht ja dauernd da spazieren.«
»Elisabeth, wenn du gewusst hast, dass Annegret im Busch
war, und wenn du wolltest, dass sie heimkam, um zu essen
oder so, was hast du da gemacht?«
»Ich bin vors Haus und habe sie gerufen.«
»War das die Regel?«
»Ja, zumindest in der warmen Jahreszeit.«
»Nahm Annegret auch schon mal ihr Rad mit?«
Rainer antwortete: »Von der abgelegenen Seite des Busches
führt ein Weg rauf zum Stadtforst. Den benutzten die Kinder
häufig. Und wenn sie zu Anke oder zu einem anderen Kind
nach Hause wollten, dann fuhren sie über den Feldweg nach
links.«
»Elisabeth, du kannst dich wahrscheinlich gar nicht daran er-
innern, dass du Annegrets Schultasche in ihr Zimmer getragen
und unter das Bett geschoben hast. Kein Mensch macht dir
deshalb einen Vorwurf. Aber hast du eine Idee, warum du das
getan hast?«
»Nein, wirklich nicht. Vielleicht weil ich dachte: Gott sei
Dank, sie ist heimgekommen. Wahrscheinlich war das irgend-
wie automatisch.« Ihr längliches Gesicht verzog sich ein wenig
in die Breite, sie schloss die Augen.
»Kann es sein, dass du etwas verstecken wolltest? Einen Ge-
danken, der dich störte, eine Ahnung, die du nicht mochtest?«
»Das verstehe ich nicht«, meinte Rainer Darscheid.
»Entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten versteckte deine
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Frau Annegrets Tasche. Sie versteckte vielleicht die Ahnung,
dass Annegret im Busch war. Und ich frage mich, ob das etwas
mit Vorgängen dort oben zu tun hat? Die Kinder waren doch
ständig dort & «
»Jetzt kapiere ich«, sagte er. »Eli, da ist auch noch die Sache
mit dem Fernglas, die ich gern von dir erklärt hätte.«
Ihr Rücken wurde steif, sie saß aufrecht wie ein Zinnsoldat.
»Wieso Fernglas?«, fragte sie tonlos.
Er erklärte: »Kürzlich habe ich in unserem Schlafzimmer auf
der Fensterbank ein Fernglas gefunden. Ich wusste gar nicht,
dass wir ein Fernglas im Haus haben. Ich wollte dich fragen,
wozu du es gebraucht hast, aber ich habe es vergessen. Und
später war es dann auch wieder verschwunden.«
»Das habe ich von meinem Vater«, antwortete Elisabeth ton-
los. »Das ist ein altes Ding, er brauchte es nicht mehr.«
»Was hast du denn damit beobachtet?«, fragte ich.
»Nichts. Die Wiesen und Felder. Was man halt so guckt.«
Ihr Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos, nichts verriet ih-
re Gedanken oder Befürchtungen.
Rainer Darscheid räusperte sich. »Du hast damit doch sicher
den Busch betrachtet. Bestimmt hat das irgendwie mit dem
Gerd Salm zu tun. Den hasst du doch wie die Pest.«
»Gerd Salm ist der Fünfzehnjährige, der mit der kleinen Rus-
sin im Gras lag, oder?«
»Genau der.«
»Warum hasst du ihn?«, fragte ich Elisabeth.
»Er ist irgendwie dreckig«, stieß sie hervor. »Ich weiß nicht
genau, warum.«
»Rainer, du hast mal erwähnt, dass du vermutest, dass dieser
Gerd Salm in Annegret verliebt war.«
»Richtig. Er ist hinter ihr her gewesen.«
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»Aber sie wollte den nicht. Sie mochte ihn überhaupt nicht!«,
stieß Elisabeth heftig hervor. »Annegret hat mir gesagt, dass
sie den nicht ausstehen kann.«
Einen Moment war es still.
»Das glaube ich dir nicht«, murmelte Rainer. »Zu mir hat sie
mal gesagt, Gerd sähe schon toll aus. Wie ein Sänger von ir-
gendeiner Gruppe, für die sie schwärmte.« Eine leichte
Verärgerung klang in seiner Stimme mit. »Der Junge ist ein
stinknormaler Fünfzehnjähriger. Vielleicht nicht sanft, viel-
leicht nicht lieb, aber eigentlich ein guter Typ. Allenfalls
manchmal etwas jähzornig. Aber das kommt in dem Alter
vor.«
»Warum ist dieser Junge für dich schmutzig, Elisabeth?«
»Weil er von meiner Tochter nur das eine wollte!«, antworte-
te sie aggressiv.
»Und was ist das eine?«, insistierte ich weiter.
»Er wollte sie befummeln!«, erklärte sie.
»Das hat sie dir erzählt?«, fragte ihr Mann.
»Genau das!«
»Sie hat dir gesagt, der Gerd will mich befummeln?«, fragte
ihr Mann scharf.
»Ja, sage ich doch.«
Wieder Schweigen.
»Das glaube ich dir nicht«, wiederholte er dann leise. »So hat
sie nicht geredet.«
»Also gut, akzeptieren wir mal, dass sie das so gesagt hat.
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