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des Staatsanwalts Dr. Körten aber eine erhebliche
Rolle spiele. Immerhin untersuche man hier einen
ernsten, einen schweren, wenn nicht den schwersten
Fall von Gewaltkriminalität, in den Götten
nachweislich verwickelt sei. Sie müsse es schon dem
Vertreter des Staates überlassen, welche Details und
welche Belehrungen er für richtig halte. Nochmals ge-
fragt, ob Götten und der Herrenbesuch ein und die-
selbe Person sein könnten, sagte die Woltersheim,
nein, das könne mit Sicherheit ausgeschlossen wer-
den. Als sie dann aber gefragt wurde, ob sie den »Her-
renbesuch« persönlich kenne, je gesehen habe, ihm je
begegnet sei, mußte sie das verleugnen, und da sie
auch ein so wichtiges intimes Detail, wie die merk-
würdigen Autofahrten nicht gewußt hatte, wurde ihre
Vernehmung als unbefriedigend bezeichnet, und sie
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wurde »mit einem Mißton« vorläufig entlassen. Bevor
sie den Raum, offenbar verärgert, verließ, gab sie
noch zu Protokoll, daß der als Scheich verkleidete
Karl ihr mindestens so verdächtig erschienen sei wie
Götten. Jedenfalls habe er auf der Toilette ständig
Selbstgespräche geführt und sei dann ohne Abschied
verschwunden.
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Da nachweislich die siebzehnjährige Verkäuferin
Hertha Scheumel den Götten mit zur Party gebracht
hatte, wurde sie als nächste vernommen. Sie war of-
fensichtlich verängstigt, sagte, sie habe noch nie mit
der Polizei zu tun gehabt, gab aber dann eine relativ
plausible Erklärung über ihre Bekanntschaft mit Göt-
ten ab. »Ich wohne«, sagte sie aus, »mit meiner Freun-
din Claudia Sterm, die in einer Schokoladenfabrik ar-
beitet, zusammen in einem Ein-Zimmer-Küche-Du-
sche-Appartement. Wir stammen beide aus Kuir-Of-
tersbroich, sind beide sowohl mit Frau Woltersheim
wie mit Katharina Blum weitläufig verwandt (obwohl
die Scheumel die Weitläufigkeit der Verwandtschaft
genauer darstellen wollte, indem sie auf Großeltern
verwies, die Vettern bzw. Kusinen von Großeltern ge-
wesen waren, wurde auf eine detaillierte Bezeichnung
ihrer Verwandtschaft verzichtet und der Ausdruck
»weitläufig« als ausreichend angesehen). Wir nennen
Frau Woltersheim Tante und betrachten Katharina als
Kusine. An diesem Abend, am Mittwoch, dem 20. Fe-
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bruar 1974, waren wir beide, Claudia und ich, in
großer Verlegenheit. Wir hatten Tante Eise
versprochen, unsere Freunde zu dem kleinen Fest
mitzubringen, weil es sonst an Tanzpartnern fehlen
würde. Nun war aber mein Freund, der zur Zeit bei
der Bundeswehr dient, genauer gesagt: bei den
Pionieren, wieder einmal und wieder plötzlich zur
Innenstreife eingeteilt worden, und obwohl ich ihm
riet, einfach abzuhauen, gelang es mir nicht, ihn dazu
zu überreden, weil er schon mehrmals abgehauen war
und große disziplinäre Schwierigkeiten befürchtete.
Claudias Freund war aber schon am frühen
Nachmittag so betrunken, daß wir ihn ins Bett stecken
mußten. Wir entschlossen uns also, ins Cafe Polkt zu
gehen und uns dort jemanden Netten aufzugabeln,
weil wir uns bei Tante Eise nicht blamieren wollten.
Im Cafe Polkt ist während der Karnevalssaison immer
was los. Man trifft sich dort vor und nach den Bällen,
vor und nach den Sitzungen, und man kann dort sicher
sein, immer viele junge Leute zu treffen. Die
Stimmung im Cafe Polkt war am späten Mitt-
wochnachmittag schon sehr nett. Ich bin zweimal von
diesem jungen Mann, von dem ich jetzt erst erfahre,
daß er Ludwig Götten heißt und ein gesuchter
Schwerverbrecher ist, zum Tanz aufgefordert worden,
und beim zweiten Tanz habe ich ihn gefragt, ob er
nicht Lust hat, mit mir auf eine Party zu gehen. Er hat
sofort freudig zugestimmt. Er sagte, er sei auf der
Durchreise, habe keine Bleibe und wisse gar nicht, wo
er den Abend verbringen solle, und er würde gern mit-
gehen. In diesem Moment, als ich mit diesem Götten
mich sozusagen verabredete, tanzte Cla udia mit ei-
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nem als Scheich verkleideten Mann neben mir, und
sie müssen wohl unser Gespräch mit angehört haben,
denn der Scheich, von dem ich später erfuhr, daß er
Karl heißt, fragte sofort Claudia in so einer Art witzig
gemeinter Demut, ob denn auf dieser Party nicht noch
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